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Türkei auf die Schnelle



 

18. Oktober 2010 - Antalya by Night

von Anke Krause
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Beim Frühstück können wir uns des Eindrucks nicht erwehren, dass einer der Kellner im Hotel besonders häufig an unseren Tisch kommt, um benutztes Geschirr abzuräumen. Und die Blicke ruhen dabei nicht unbedingt auf den Eltern... Na ja, das kennen wir ja nun schon.
Den Rest des Vormittags nutzen wir, um unsere Mails zu checken, noch ein wenig zu lesen und noch einmal kurz die Einkaufsstraße entlang zu bummeln. Um 13.30 Uhr kommt der Bus, der uns nach Antalya bringen soll. Einige Leute sitzen schon drin, andere holen wir noch an ihren Hotels ab. Wir nähern uns Antalya, bevor wir die Stadt erreichen, gibt es einen kurzen Fotostopp, der sich allerdings vorwiegend als Zigarettenpause für den Busfahrer entpuppt. Weiter fahren wir durch endlose Hochhaus-Wohngebiete, können zwischendurch im Vorbeifahren einen winzigen Blick durch das berühmte Hadrianstor in die Altstadt werfen. Und weiter geht es, wieder aus der Innenstadt hinaus. Auf einem ungemütlichen Parkplatz hält der Bus an, alle müssen aussteigen. Wir queren die Hauptstraße und stehen vor einem Wasserfall, dessen Besonderheit darin besteht, dass er sich direkt ins Meer ergießt. Gut, das haben wir jetzt auch gesehen. Nächster Programmpunkt: Das Sandmuseum. Zuerst können wir uns darunter nicht wirklich etwas vorstellen, aber die Plakate, die überall in der Stadt hängen, verraten des Rätsels Lösung: es handelt sich um große Sandskulpturen, wie sie in Berlin alljährlich in der Nähe des Hauptbahnhofs gebaut werden, und die wir uns schon zu Hause immer nicht angeschaut haben. Aber zum Glück bleibt uns das auch im Urlaub erspart, die Ausstellung ist inzwischen geschlossen, die Skulpturen sind Wind und Regen preisgegeben. Stattdessen steuern wir jetzt dem Höhepunkt unseres Ausflugs entgegen: „... haben Sie die Gelegenheit zum Einkauf in einer Goldmanufaktur...“ stand in der Beschreibung. Und richtig, weit außerhalb der Stadt fahren wir auf den Parkplatz einer Schmuckfabrik, wo alle zunächst mit einheitlichen Nummern zum Anstecken ausgestattet werden (vermutlich, damit man gleich sehen kann, welcher Reiseveranstalter die Provision bei etwaigen Käufen kassiert). Dann werden wir mit ein paar Worten vom Empfangschef begrüßt und gleich weiter geführt zu den „... nicht Verkäufer, sondern EXPERTEN!..:“, die sich wie eine Phalanx vor uns aufbauen. Wo habe ich so etwas schon einmal gesehen? Richtig, da lief neulich so ein Film über Scientology im Fernsehen... Ab jetzt Entkommen unmöglich. Eine durchaus freundliche Frau kommt auf das Kind und mich zu (der Gatte hat seine eigene Strategie entwickelt und drückt sich, immer in Bewegung bleibend, im Kreis an den Wänden des Verkaufsraums entlang, demonstratives Desinteresse zur Schau stellend) und bietet uns erst einmal einen Tee an. Wir lehnen dankend ab und werden stattdessen mit den tollsten Schmuckangeboten bombardiert. Anders als die jungen Ladeninhaber und Kellner hat diese Dame es offensichtlich mehr auf mich abgesehen. Eine Scheußlichkeit nach der anderen muss ich mir anschauen, die Höflichkeit gebietet es mir, immer neue Ausreden zu finden, warum ich das Zeug nicht kaufen will. Das Kind fragt einmal nach dem Preis eines Rings und erfährt, dass es sich um ein Super-Sonderangebot für 400 Euro handelt. Ich will trotzdem nicht! Wir werden zu immer anderen Vitrinen geführt, immer neue Ausreden lasse ich mir einfallen. Als sie merkt, dass ich wirklich keinen teuren Goldschmuck will, versucht sie, mir den weniger hochpreisigen Silberschmuck aufzuschwatzen. Bis dem Kind der Kragen platzt. Betont freundlich sagt sie zu der EXPERTIN:

„Wissen Sie, wir sind eigentlich unterwegs, um uns Antalya anzuschauen und vielleicht dort auf dem Ramschbasar einzukaufen. In diese Schmuckfabrik wollte niemand und wir haben keinerlei Interesse daran, irgendetwas zu kaufen!“

Der Dame fällt die Kinnlade hinunter, sie fasst sich erst allmählich wieder und meint dann etwas lahm, das Kind habe einfach noch kein Verständnis für wertvollen Schmuck, aber das komme schon noch. Und im übrigen werde sie ja auch dereinst erben, was ich jetzt kaufe. Das ist der Moment, wo wir uns zur Toilette verkrümeln. Dort warten schon etliche andere Mitglieder unserer Reisegruppe und sind völlig aufgebracht. Gemeinsam kämpfen wir uns durch das Labyrinth von weiteren Verkaufsräumen und streben dem Ausgang zu. Endlich stehen wir auf dem ungemütlichen Parkplatz und warten, dass es weiter geht. Nur der Reiseleiter fehlt noch und die beiden jungen Männer, die im Bus ein paar Reihen vor uns saßen. Irgendjemand weiß zu berichten, dass die zwei es schon eine Stufe weiter geschafft haben: Sie durften mit einem EXPERTEN in einen der separaten kleinen Nebenräume, wo ihnen eine besondere Gehirnwäsche Beratung zuteil werden sollte. Aber auch hier ohne Erfolg: Niemand aus der Gruppe hat irgendetwas gekauft, alle sind sauer. Dafür jetzt das nächste Highlight: „Gutes Abendessen in gemütlichem Ambiente“. Dass es gerade einmal 17.00 Uhr ist, scheint den Veranstalter nicht zu stören... Das gemütliche Ambiente finden wir in einem mit Wellblech überdachten Hof direkt an einer 6spurigen Hauptverkehrsstraße. Drei Gerichte zur Auswahl, Getränke kosten extra. Die meisten bestellen aus Protest nichts zu trinken, das Kind nimmt demonstrativ einen großen Schluck aus der mitgebrachten Wasserflasche. Immerhin kommen wir jetzt ins Gespräch mit den beiden „Gehirnwäsche-Opfern“, die, wie sich herausstellt, aus der Nähe von Leipzig kommen (und sich für den Rest des Urlaubs zu den ständigen Begleitern des Kindes entwickeln - die Flut der Ladeninhaber- und Kellner-Telefonnummern geht schlagartig drastisch zurück). Nach dem Essen, also gegen 17.45 Uhr, fahren wir nun doch noch in die Stadt, haben ungefähr eine Stunde zur freien Verfügung, um uns dann zu den Wasser- und Lichtspiele in der Innenstadt wieder zu treffen. Die wenige Zeit nutzen wir, um durch den Basar zu ziehen. Da es inzwischen dunkel ist, sehen wir ansonsten nicht mehr viel von der Stadt. Die Wasser- und Lichtshow ist wenigstens ganz nett. Danach verabschiedet sich der Reiseleiter von uns, weil er in Antalya wohnt und es sich für ihn nicht lohnt, noch die 40 Kilometer mit nach Kemer zu fahren. Vermutlich befürchtet er, unterwegs der Lynchjustiz zum Opfer zu fallen. Er redet noch ein paar schwülstige Sätze von „immer gute Laune“ und so weiter und weg ist er. Das ist vielleicht auch besser so. Im Bus wird zuerst noch heftig geschimpft, dann irgendwann herrscht aber wirklich gute Laune, denn einen Vorteil hatte das Ganze: Man ist mit den Mitreisenden ins Gespräch gekommen, während man ansonsten bei solchen Ausflügen erfahrungsgemäß eher schweigend unter sich bleibt. Zurück im Kemer verabreden wir uns für den Abend mit unseren neuen sächsischen Bekannten, um in einer Strandbar noch etwas zu trinken. Das Kind isst noch eine Lasagne, denn „schließlich hatte ich ja heute um 17.00 Uhr Fisch zum Kaffeetrinken und seitdem nichts mehr“. Dass der nette Kellner vom ersten Abend heute nicht sooo zuvorkommend ist, liegt wohl eher daran, dass er einen schlechten Tag hat.

Zuletzt geändert: Oct 30 2010

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von am um
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