krauselig.de

Der tägliche Wahnsinn


18.07.09 -
Absteige

Der tägliche Wahnsinn >>

Eigentlich sollte das Kind ja für eine Woche auf einem Reiterhof in Schleswig-Holstein arbeiten.  Kleine Kinder betreuen und so. Nun ist sie aber doch zu Hause. Wie das kam?

Die fürsorglichen Eltern wollten das arme Kind nicht mit dem Überland-Bus hinfahren lassen und dachten sich: das kann man doch gleich mit einem netten Ausflugs-Wochenende verbinden Also Gepäck im Auto verstaut und auf Richtung Nordwesten.

Schon die Fahrt aus Berlin hinaus erweist sich als mittlere Katastrophe. Ein Stau nach dem anderen! Keine Chance, pünktlich um 13.00 Uhr vor Ort zu sein. Dummerweise hat das Kind die Telefonnummer des Reiterhofs nicht eingepackt und muss jetzt mit Bande spielen: Freundin anrufen. "Kannst Du mir mal bitte die Nummer ... aus dem Internet raussuchen?". Kurze Zeit später die Rückmeldung. Nummer notiert, Reiterhof angerufen. Erfolglos - keiner nimmt ab. Das Ganze mehrfach, der Stau wird einfach nicht weniger. Im Gegenteil: die Verkehrsmeldungen lassen ganz Übles ahnen, so dass wir kurzerhand die Autobahn verlassen und der ausgeschilderten Umleitung folgen. Ein ewig weiter Umweg, wie sich herausstellt. Und die Umleitungsstrecke endet genau dort, wo der dickste Stau angesagt ist. Also doch die Karte bemühen und auf eigene Faust durchschlagen! Endlich erreichen wir wieder die Autobahn. Staufrei jetzt, so dass wir wieder richtig durchstarten können. Huch, was war das? So hell? Tja, da werden wir wohl jetzt per Post ein hübsches Foto von unserem Auto bekommen. 

Inzwischen hat das Kind die Nerven verloren und dem Reiterhof auf den Anrufbeantworter gesprochen.

Endlich erreichen wir nun die Autobahnausfahrt, von der aus es über Land noch einige Kilometer weiter geht. Hübsche Landschaft, zum Reiten bestimmt wunderbar geeignet! Und dann ist irgendwann das Ziel erreicht. Wir parken das Auto am Straßenrand, das Kind holt sein Gepäck aus dem Kofferraum und wir betreten das Grundstück des Reiterhofs. Hübsch, würden wir jetzt gerne sagen. Aber angesichts eines zertrümmerten Vordachs, herunterhängender Schlagläden, einer völlig verrotteten Freitreppe und einiger höchst muchtiger Nebengebäude kommt uns das dann doch nicht in den Sinn. Egal, das Kind meldet sich erst einmal im Büro, wo schon einige andere Mädchen (geschätztes Alter: 12-14, die anderen Betreuerinnen, wie sich herausstellt) warten. Die nehmen sie jetzt mit zur Unterkunft: Einer dieser muchtigen Schuppen, mit klappriger Schiebetür und widerlichem Gestank. Dort ist ein "Gesindezimmer", so scheint es mir, eingerichtet worden. Drei Stapelbetten für insgesamt 6 Personen auf geschätzten 8 Quadratmetern. Ein Fenster mit den geschätzten Maßen 40 x 40 cm gibt es immerhin auch.  Nach Dusche oder Toilette trauen wir uns gar nicht mehr zu fragen.
Das Kind stellt das Gepäck erst mal ab und wir machen einen Hofrundgang. Immerhin haben es die Pferde auch nicht besser als die Menschen: Mit fachmännischem Blick stellt das Kind fest: "Das Stroh ist ja völlig verschimmelt!". Na toll!

Wir wechseln lange Zeit vielsagende Blicke, bis irgendjemand ausspricht, was alle denken:
Hier kann man doch nicht bleiben!
Was nun? Inzwischen ist das Büro gefüllt mit kleinen Kindern, die für eine Woche Reiterferien zum stolzen Preis von immerhin 320,- € angemeldet sind und sich schon auf die niedlichen Pferde freuen. Kann man da jetzt einfach reinplatzen und sagen: "Das ist mir hier zu runtergekommen, ich fahre wieder?". Eher nicht, um den kleinen Kindern nicht die Vorfreude zu nehmen. Das werden die schon früh genug selbst merken...

Also, zwar mit schlechtem Gewissen, das Gepäck wieder aus der Gesindekammer geholt, Koffer und Kind im Auto verstaut und kommentarlos wieder abgefahren.

Dern Rest des Tagesmachen wir Touristenprogramm zu dritt: Ratzeburg (ganz nett, aber da muss man nicht unbedingt gewesen sein), Mölln (sehr schön, es gibt sogar Kanaldeckel!), dann noch Ribbeck (ja, das im Havelland mit dem Birnbaum). Und zum Schluss, als Krönung des Ganzen: Das neue B5-Outlet-Center. Das Kind brauchte ohnehin eine neue Jeans...

Und jetzt haben wir den nächsten Samstag zur freien Verfügung, weil wir nicht wieder nach Schleswig-Holstein  müssen, um das Kind abzuholen.


Zurück

Kommentare

von am um
Kein Kommentar gefunden

Da möchte ich meinen Senf dazu geben