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Türkei auf die Schnelle



 

21. Oktober 2010 - Jeep-Safari

von Anke Krause
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Wieder werden wir um 9.00 Uhr abgeholt, mit einem Kleinbus diesmal. An einer Tankstelle am Ortsrand stehen 7 Jeeps bereit. Einige aus der Gruppe wollen selbst fahren, wir lassen uns lieber kutschieren und bekommen einen Fahrer zugewiesen. Die ersten Meter – noch im normalen Straßenland – geben mir Anlass zu ernsthaften Zweifeln. Die Geräusche, die dieses Auto macht, sind nicht sehr Vertrauen erweckend. Außerdem habe ich jeden Moment den Eindruck, dass die Kiste ihren Geist aufgibt. Aber als wir nach kurzer Fahrt in den Bergen ankommen, scheint das Auto doch mitzuspielen. Mal abgesehen davon, dass unsern Fahrer einen durchaus flotten Reifen fährt. Wo andere versuchen, Pfützen zu umfahren, nimmt er nochmal richtig Anlauf und fährt mitten durch. Gut, dass uns Ali am Abend vorher gewarnt hat und wir die eh schon nicht mehr ganz taufrischen Sachen angezogen haben.
Beim ersten Fototstopp bietet sich unser Fahrer an, ein Familienfoto zu machen. Prima, die gibt es sonst so selten. dass wir dabei alle etwas zerknautscht aussehen, ist angesichts von Sonne, Wind und Jeepfahrt sicher entschuldbar.
Weiter geht  es über Stock und Stein, duchr Wälder und Flüsse (steht jedenfalls im Prospekt, in Wirklichkeit war es nur ein kleiner Bach). Nächster Stopp: eine 2000 Jahre alte Platane, wo schon eine alte Frau mit einem Esel und ein Souvenirstand auf uns warten. Andere aus der Gruppe setzen sich gern auf den Esel und lassen sich ein paar Meter führen, das Kind hingegen weigert sich heftig: "Das arme Tier ist schon so alt und völlig überlastet, guckt euch doch mal die Gelenke an!"  Der Gruppenleiter beißt auf Granit, als er sie zum Aufsitzen überreden will und hat sicher nicht geahnt, welche fachkundigen Tiraden er jetzt über sich ergehen lassen muss. Sonst wäre er vermutlich lieber still gewesen. Dankenswerterweise befinden wir uns hier in einem kleinen Bergdorf, wo es - rein zufällig natürlich - einen Getränkeausschank gibt. Wir lassen uns einen Granatapfelsaft (bzw. einen  Orangensaft fürs Kind, die den Geschmack von Granatapfel noch nie leiden konnte "Schon wieder diese komischen Luftbläschen im Müsli!") pressen und kommen jetzt mit unserem Fahrer ins Gespräch - in englisch. Schüler im letzten Schuljahr ist er, 18 Jahre alt und das Jeepfahren macht er so als Job nebenher. Die Gaststätte gehört seinem Onkel, ebenso wie das Jeep-Unternehmen (oder ist das wieder ein anderer Onkel, das finden wir nicht so richtig heraus). Und in Deutschland hat er Verwandte, auch Onkels vermutlich. Nach einer etwas mühsamen Toilettenpause (hier müsen die Damen wirklich zu zweit gehen, weil sich die Tür nicht schließen lässt. Da muss die andere eben draußen Schmiere stehen) geht es weiter, ein paar Kilometer jedenfalls. Dann passiert, was passieren musste: unser Auto bleibt stehen und lässt sich nicht mehr starten. Das Kind hat auf dem Beifahrersitz gesessen und war schon länger etwas verwundert, dass sie Tankanzeige schon die ganze Zeit unter der Minimum-Markierung angekommen war. Und überhaupt, hat es nicht vorhin auch so komisch nach Benzin gerochen? Das Kind schreibt eine SMS an die sächsischen Beschützer: "Haben Panne im Gebirge, wissen nicht, ob wir hier jemals wieder weg kommen". Die Antwort folgt auf dem Fuße: "Sind zum Wandern im Gebirge, haben uns verlaufen und wissen auch nicht, ob wir hier jemals wieder weg kommen!" Na toll, aber immerhin geht es uns nicht alleine so! Man versucht jetzt, der Sache Herr zu werden, indem man aus einem anderen Jeep eine Flasche Benzin abzapft und bei unserem Auto in den Tank kippt. Super, immerhin startet es jetzt wieder. Die nächsten zwei Kilometer geht es jetzt erst einmal, aber dann kommt eine größere Steigung. Aussichtslos - wäre nicht der Fahrer im Wagen hinter uns völlig hemmungslos: er kommt näher, bis er direkt hinter uns ist und schiebt uns jetzt einfach den Berg hoch. So geht das auch! Dann aber verliert der Chef doch die Nerven, das Auto bleibt an einer übersichtlichen Stelle an Straßenrand stehen und wir verteilen uns auf die freien Plätze in den restlichen Jeeps. Wir sitzen jetzt im Wagen bei einem ukrainischen Paar, das Kind neben einem kleinen Jungen, der mit seinen ziemlich mäkeligen Großeltern aus Thüringen unterwegs ist. Nur für unseren Fahrer ist kein Platz mehr in den Autos, er muss sich auf das Reserverad hinter dem Kind setzen. Der Thüringer Opa ist nur schwer zu überzeugen, seinen Fahrstil an diese besondere Situation anzupassen. Irgendwann kommen wir wieder an dem abgestellten Auto vorbei, unser Fahrer springt vom Reifen und bewaffnet sich mit einem Abschleppseil. Zu zweit schaffen sie es irgendwie, das Auto wieder in die Zivilisation zu befördern. Zum Glück ist es jetzt nicht mehr so weit bis zum Mittagessen. In einer traumhaften Parkanlage mit diversen Freizeit- und Gastronomie-Angeboten sind zwei lange Tische für uns reserviert und staubig, wie wir alle sind, machen wir uns jetzt über den Fisch her und haben nachher theoretisch noch Zeit, im angrenzenden Gebirgsbach zu baden. Da wir aber jetzt den Tümpelk mit 25 Grad Wassertemperatur gewöhnt sind, wollen wir uns auf dieses Abenteuer dann nun doch nicht einlassen. Lieber unterhalten wir uns noch weiter mit unserem Fahrer (dessen Onkel im übrigen das Gelände gehört). Er macht noch ein zerknautschtes Familien-Bild von uns  und ist ganz interessiert, als er hört, dass das Kind gerade Autofahren lernt. Er lädt sie ein, nach der Jeep-Safari selbst noch etwas zu fahren. Wir schlucken erst einmal, aber es stellt sich heraus, dass es auf dem großen Parkplatz in der Nähe unseres Hotels einen abgeteilten Bereich gibt, den wir bisher für eine Gokart-Bahn gehalten haben. Dabei handelt es sich vielmehr um eine Art Verkehrsübungsplatz. Und dort bietet er ihr an zu fahren.
Aber jetzt müssen wir erst einmal zurück nach Kemer. Da einige Leute aus der Gruppe nicht weiter mitfahren, sind jetzt genügend Sitzpläte für alle in den Autos vorhanden. Ohne weitere Zwischenfälle kommen wir wieder an der Tankstelle an, steigen in unseren Zubringerbus und fahren zurück zum Hotel. Dort wartet der Kellner schon sehnsüchtig auf das Kind und steckt ihr heimlich einen zusammengefalteten Zettel zu. Sie nimmt ihne erst einmal mit, klappt ihn dann an unauffälliger Stelle auf, sieht ein Herz und ganz viele türkische Wörter, am Schluss so etwas wie eine Adresse. Oh je! Wer kann das jetzt bitte übersetzen? Die deutsch-türkische Familie, die schon einmal Übersetzungshilfe gegeben hat, kommt nicht in Frage. Erstens würde das eventuell den Kellner dumm aussehen lassen, und das will schließlich auch keiner. Außerdem stellt sich die Frage ohnehin nicht mehr - die Familie ist nämlich abgereist! Der Brief wird jedenfalls erst mal eingesteckt, irgendwer wird sich schon zum Übersetzen finden. Jetzt aber flott, gleich steht der Fahrer mit dem Jeep da und will zur Übungsstunde aufbrechen. Der Kellner ist wahrlich not amused, als er das Kind mit dem Jeep verschwinden sieht. Wir gehen derweil noch auf eine Granatapfelsaft an den Strand, machen das eine oder andere Foto und treffen uns eine Stunde später wieder mit dem Kind im Hotel zum Kartoffelgulasch. Die Fahrstunde war höchst amüsant: Erstens hat sie herausgefunden, dass der Fahrer bei diesen touren zwar schon mitmacht, seit er 15 oder 16 ist, aber selbst überhaupt keinen Führerschein besitzt - sieht man mal von dem fürs Moped ab. Immerhin, dasfür ist er souverän gefahren, mit schieben lassen und abschleppen und allem. Zweitens plaudert er aus dem Nähkästchen, dass die Jeeps alle mindestens 12 Jahre alt sind, mit einer Ausnahme. das ist sein Lieblingsauto und erst 9 Jahre alt. Und dann gibt es noch den Wagen, in dem wir saßen - der hat 18 Jahre auf dem Buckel. Und dass er heute mitgefahren ist, hatte weniger mit Geldverdienen zu tun als vielmehr mit disziplinarischer Maßnahme: eigentlich sollte er seinen kleinen Bruder nach Antalya zur Schule fahren, aber er wollte lieber Fußball spielen. Zur Strafe musste er jetzt Touristen mit der Klapperkiste durchs Gebirge fahren. Oh je, hätten wir das alles vorher geahnt!
Inzwischen ist uns die Erleuchtung gekommen, was mit dem Brief weiter passiert: Wir müssen abends unbedingt ins Strandrestaurant zu Musab, der kann gut englisch und hilft bestimmt weiter. Vorsichtshalber schreibt das Kind  schon mal ein paar englische Sätze zurück, sinngemäß "Vielen Dank für den Brief, ich weiss zwar nicht, was drinsteht, aber ich werde sicher jemand finden, der mr das übersetzen kann". Oder so ähnlich. Schließlich möchte man ja auch nicht unhöflich erscheinen.
Die beiden Bergwanderer sind inzwischen auch wieder heil gelandet, zu dritt verschwinden die jungen Leute nach dem Kartoffelgulasch wieder zum Moonlight-Schwimmen und weil die drei anschließend noch weiter ziehen wollen, hat das Kind vorsorglich einen weiteren Zimmerschlüssel besorgt.
Oder vielmehr besorgen lassen.Eigentlich gibt es keine Zweitschlüssel zu den Zimmern, das ist so nicht vorgesehen, aber da unser Kellner ihr schon gern helfen möchte, probiert er ein großes Schlüsselbund durch, bis er dann doch eine passenden findet. Das Kind freut sich und wir müssen nicht so lange wach bleiben, bis sie zurück kommt.
Wir machen noch einen kleinen Spaziergang am Strand entlang - und landen schließlich noch einmal in der schönen Strandbar direkt im Sand. Morgen ist schon wieder der letzte Urlaubstag, übermorgen werden wir vermutlich gegen 2.30 Uhr nachts am Hotel abgeholt, und dann geht es schon wieder Richtung Heimat. Schade! Wir genießen die stendenklare Naht und machen uns dann allmählich auf in Richtung Hotel. Kurz bevor wir angekommen sind, werden wir von einer Terrasse aus noch einmal mit Nachdruck angesprochen. Normalerweise wären wir jetzt mit einem freundlichen Kopfschütteln vorbei gegangen, aber die Stimme kommt uns so bekannt vor. Richtig: die drei jungen Leute sitzen da noch bei einem Absacker und nötigen uns dazu. Wir bestellen jeder noch einen Raki (wozu ist man schließlich in der Türkei?) und lassen den Abend allmählich ausklingen. Dass wir die Rechnung für die letzte Runde geordert haben (2 Raki, ein Glas Rotwein, 2 Cuba libre), begreift der zuständige Kellner nicht so recht und bringt kurz darauf dasselbe noch einmal. So war das zwar nicht gedacht, der Kellner ist auch peinlich berührt, als er seinen Irrtum erkannt, aber notgedrungen nehmen wir uns dieser Runde dann auch noch an. Wenn man es schon nicht bezahlen muss ...
Im Hotel wird der Zweitschlüssel jetzt doch nicht gebraucht, das Kind lässt ihn vorsoglich schon einmal in der Tasche (vielleicht wird er ja morgen noch gebraucht) und kurze Zeit später schlafen wir tief und fest.

Zuletzt geändert: Nov 08 2010

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von am um
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