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Kreta 2010




Eigentlich waren die Fahrräder schon fix und fertig für die Elbe-Tour. Aber dann kam doch alles ganz anders ...

  

Mittwoch, 2. Juni 2010

von Anke Krause
Kreta 2010 >>

Eigentlich gehört es ja zu einem ordentlichen Kreta-Aufenthalt, auch mal in Knossos gewesen zu sein. Aber wir haben gehört, dort sollen extrem Disney-mäßig aus Beton wieder aufgebaute Trümmer herumstehen. Nach unserer Rom-Erfahrung vor einem halben Jahr, wo nun wirklich alle Trümmer eindrucksvoll echt sind, wollen wir uns das aber nicht antun und beschränken uns auf die Trümmer von Festos. Das ist erstens nicht so weit von unserem Quartier entfernt und zweitens doch etwas authentischer – wenn auch nicht so hübsch bunt wieder aufgebaut. Der Parkplatz ist gut belegt, trotzdem ist es kein Problem, das Auto abzustellen. Wir schnappen uns die Wassserflaschen und die Sonnenhüte – der Gatte hat am Tag zuvor in Agia Galini eigens ein höchst dekoratives Exemplar für 3,50 Euro erworben, weil zu Hause die Plätschkapp vom Bergwandern absolut nicht mehr aufgetaucht ist – und betreten das Gelände (Hier differenziert man im Übrigen bei den Eintrittspreisen sehr gerecht: der ermäßigten Preis zahlen Schüler und Kunst-/Archäologie-Studenten. Stimmt eigentlich, wieso sollten z.B. angehende Juristen oder Informatiker verbilligt Trümmer gucken können?) 
Das Beste an der Anlage von Festos ist die Aussicht ins Umland, die Trümmer selbst sind weniger eindrucksvoll. Hinzu kommt, dass die Erläuterungen mehr als dürftig sind. Griechisch und Englisch – gut, das allein stört noch nicht so sehr. Aber inhaltlich vollkommen stulle, wie das Kind neudeutsch zu sagen pflegt (ist das jetzt an dieser Stelle richtig angebracht? Ich meine sinngemäß „Die Erläuterungen hätte man sich auch schenken können“). Zwar wird irgendetwas von Räumen, Mauern, Speichern oder Brunnen geschrieben, aber im Lageplan ist die eigene Position nicht eingezeichnet und die passenden Trümmer können genau so gut 100 Meter entfernt im Winkel von 80 Grad nach hinten sein. Man weiss nicht so genau … Dann doch lieber die (aus EU-Fördermitteln finanzierten?) modernen interaktiven Terminals, die zunächst aussehen wie etwas futuristische Mülleimer, bei näherem Hinsehen aber statt einem Auffangbehälter ein Touchscreen-Display verbergen, auf dem man zunächst mal die entsprechende Sprache anklicken muss. Dann öffnet sich – ja, was eigentlich? Ich weiss es nicht, die Sonne scheint nämlich so unglücklich auf den Bildschirm, dass überhaupt nichts zu erkennen ist. Aber auch das ist nicht weiter tragisch, denn verändern tut sich danach eh nichts mehr, egal, an welcher Stelle des Bildschirms man jetzt herumhämmert. Immerhin aber gut gemeint! Ein wenig kommen wir uns schon wie Kulturbanausen vor, wenn wir die französischen Reisegruppen betrachten, deren Mitglieder andächtig und ehrfurchtsvoll vor jedem einzelnen Stein stehen bleiben. Oder das junge Mädchen aus Wuppertal (oder Castrop-Rauxel oder woher auch immer), das den Lageplan in der Hand immer wieder dreht, skeptisch in die Gegend schaut und dann aber, einem Geistesblitz folgend, plötzlich ihrer Freundin zuruft: „Ach so, da hinten kommt jetzt der Teil!“ Welcher Teil da jetzt kommt, entzieht sich leider unserer Kenntnis, aber die jungen Damen haben offensichtlich ein schwieriges Problem glücklich gelöst. Es sei ihnen gegönnt! 
Wir schlendern noch ein wenig ziellos zwischen den Trümmern hin und her, bis wir meinen, jeden der angelegten Wege einmal gegangen zu sein, fotografieren munter in die Landschaft und beschließen dann, den Besuch hier zu beenden – schließlich haben wir noch weitere Pläne für den Tag.

Matala heißt unser nächstes Ziel. Dort gibt es Strandhöhlen, in denen sich in den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts Hippies niedergelassen haben. Ein wenig von diesem Flair soll sich über die Jahre gerettet haben und hier nach wie vor spürbar sein. Also gut, auf nach Matala. Sind die Hippies damals mit Reisebussen oder kleinen schnuckeligen Mietautos hier eingefallen? Dann ist in der Tat viel vom entsprechenden Flair erhalten geblieben. Am Ortseingang ist nämlich alles verstopft von entsprechenden Fahrzeugen. Wenn wir unseren netten kleinen Viertürer irgendwo abstellen wollen, müssen wir erst einmal wenden und dann irgendwo am Straßenrand ein Plätzchen suchen. Gesagt, getan, dann geht es zu Fuß zurück zum Ortskern. Vorsichtshalber nehmen wir mal die Tasche mit den Schwimmsachen mit, der Strand soll hier durchaus attraktiv sein. Das erste, was uns ins Auge springt, ist eine Taverne namens „Die zwei Brüder“. So wie es hier steht:  in deutsch. Das erinnert mich eher an meine Besuche in einem anderen (ziemlich westlichen)  EU-Land, wo ich als Kind am Wochenende zum günstigen Kaffee- und Käse-Einkauf hingeschleppt wurde – dort hieß der von Deutschen völlig überlaufene Supermarkt genau so, auch in deutsch. Vermutlich tut er das immer noch. Fehlt nur noch der Matjes-Verkaufstand direkt davor!
Rechts ab geht es zwischen kleinen Souvenir-und Schmuckläden durch zum Strand. Dort tummeln sich etliche Menschen, aber nur wenige trauen sich wirklich ins Wasser. Der Wellengang ist doch ziemlich eindrucksvoll. Die meisten klettern in den Höhlen auf der anderen Seite der Bucht herum. Angesichts der zu erwartenden Geruchs (wir stellen uns das  ähnlich vor, wie bei uns in wenig genutzten dunklen Fußgänger-Unterführungen), beschränken wir uns darauf, den Super-Zoom unserer Kameras zu aktivieren. Die Draufsicht ist vermutlich ohnehin imposanter als die Innenansicht. Hippies wohnen da jetzt auch keine mehr, die sitzen alle in den umliegenden Tavernen. Inzwischen alle jenseits der Ruhestandsgrenze, mit langen wallenden Haaren und Rauschebärten, vorwiegend erkennbar Deutsche, die irgendwann vor Jahrzehnten dort hängen geblieben sind  und sich ein Möchtegern-griechisches Aussehen zugelegt haben. Wir können uns ein Schmunzeln nicht verkneifen. Einer dieser Möchtegern-Griechen ist der eine der „Zwei Brüder“,  offensichtlich zumindest einer der Chefs der gleichnamigen Kneipe. Er sitzt völlig relaxed (oder  „gechillt“?) mit ein paar „echten“ Griechen am Tisch, hält Schwätzchen und scheint voll integriert zu sein. Ebenso wie der ca. 14jährige Junge, der wohl sein Sohn ist und mitten im Satz mehrfach mühelos zwischen deutsch und griechisch wechselt. Wäre der „Bruder“ damals im stressigen Deutschland geblieben, hätte er jetzt vielleicht einen Herzinfarkt oder zumindest ein gepflegtes Burn-Out-Syndrom. Die Menschen hier wirken nicht so, als wären sie da in irgendeiner Weise gefährdet. Ach ja, das liegt natürlich auch an der Kretischen Küche – der gesündesten der Welt, wie jeder Reiseführer und jedes Kochbuch auf den ersten Seiten zu bemerken pflegen. Insbesondere das gute Olivenöl ist wohl dafür verantwortlich. Vorbei die Zeiten der 70er Jahre, als man bei (damals noch seltenen) Reisen in den Mittelmeerraum immer warnend mit auf den Weg bekam: „Und esst bloß keinen Salat, der wird da immer mit Olivenöl gemacht, davon bekommt man Dünnpfiff!“ Mittlerweile hat auch von den damaligen Spielverderbern jeder sein Fläschchen Olivenöl im Küchenschrank – von auffälligen Verdauungsstörungen ist mir nichts bekannt.
Was bei den beiden Brüdern nicht so gut funktioniert, ist das auf großen Schildern versprochene WiFi, auf Nachfragen stellt sich heraus, dass die Taverne erst gestern wieder eröffnet hat und man vor dem WiFi erst mal Tische und Stühle wieder aktivieren musste. In ein paar Tagen vielleicht ... Muss das Kind eben noch etwas auf unseren nächsten Urlaubsgruß warten.
Die Gelegenheit ergibt sich aber schon sehr bald, im nächsten Dorf nämlich, wo wir einen erneuten Versuch machen wollen, in den Tümpel zu steigen, in der Hoffnung auf ein etwas weniger stürmisches Meer. Leider dasselbe Bild, kein Mensch im Wasser, inzwischen ist es wohl auch schon zu spät, die Leute sitzen alle in ihren Hotels zum Halbpensions-Abendessen. Gut, dass uns das nicht jucken muss! Wir nehmen stattdessen in einem Strandcafé noch einen Frappé zu uns und lassen uns vom Kellner das WiFi-Passwort eintippen („8888888888“ übrigens, wenn dort mal jemand hinkommen sollte, ich hab's genau gesehen!) Das Kind hat sich inzwischen gemeldet und seinem Unmut darüber Ausdruck verliehen, dass wir hier im warmen Griechenland am Strand sitzen, während Deutschland im Regen versinkt. Wir wollen sie nicht weiter neidisch machen und fassen uns kurz, geben noch ein paar Erinnerungen durch: Müll rausbringen (wird morgen abgeholt), Blumen gießen (nur die, an die der Regen nicht rankommt), für besseres Wetter sorgen (schließlich wollen wir ja bei der Heimkehr keinen Schock bekommen). Dann bricht auch schon die WiFi-Verbindung zusammen. Ob es am starken Wind oder doch eher am schwachen Akku des Rechners liegt, weiss ich nicht. Wir zahlen und fahren zurück Richtung Agia Galini, landen zum Essen wieder bei Kostas und sitzen dort noch lange mit dem Chef zusammen, der eine Expertenmeinung zur europäischen Wirtschaftslage hören will. Bleibt zum Schluss nur noch die Wette „Mit oder ohne?“ Mit oder ohne was? Mücke natürlich! In der letzten Nacht hatten wir zwei, die der Gatte heldenhaft erledigt hat. Die Nacht davor dagegen war ruhig. Mal sehen, was uns diesmal erwartet.

zuletzt geändert: Jun 25 2010 at 07:51

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